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Sachbericht zum Projekt "Betreuung Demenzkranker aus Berlin-Marzahn in ihrem häuslichen Umfeld"

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Inhalt:

  1. Projektumfeld
  2. Stellenwert der Hausbesuche
    1. Pflegende Angehörige, die aufgrund ihrer Pflegesituation immobil geworden waren, wurde die Teilnahme an der fachlich geleiteten Angehörigengruppe ermöglicht.
    2. alleinpflegende Angehörige, wurden durch die Gerontosozialtherapeutin zuhause entlastet und erhielten praxisnahe Anleitungshilfen.
    3. Bei Demenzkranken, die sich in der Krankengruppe unproblematischer verhalten als zuhause, suchte die Gerontosozialtherapeutin nach Ansatzpunkten, wie im häuslichen Umfeld das Verhalten positiv beeinflußt werden kann.
    4. Ausblick
  3. Fallbeispiel: Hausbesuche als wertvolle Ergänzung der Gruppenaktivitäten

1. Projektumfeld

Die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. verfolgt das Ziel, ein enges und umfassendes Betreuungsnetz für pflegende Angehörige von Demenzkranken aufzubauen. Mit einem Bündel von unterstützenden Maßnahmen will die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. die Pflegenden psychisch entlasten, insbesondere will sie ihnen helfen, ihre soziale Isolation zu durchbrechen. Weiter will der Verein die Bereitschaft der Angehörigen zur Pflege fördern und ihre Pflegekompetenz erhöhen. Die Aktivitäten der Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. richten sich in erster Linie an pflegende Angehörige Demenzkranker, um ihnen zu helfen, ihr Belastungserleben zu bewältigen. Darüber hinaus erhöht die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. über den pflegenden Angehörigen auch am wirkungsvollsten die Lebensqualität des Demenzkranken selbst.

Die pflegenden Angehörigen können aus mehreren Hilfsangeboten diejenigen auswählen, die sie in ihrer speziellen Lebenslage am dringendsten brauchen. Die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. leitet Gesprächsgruppen - alle mit gleichzeitiger Krankenbetreuung -, führt persönliche und telefonische Beratungen durch und macht Hausbesuche.

Damit die Angehörigen diese Hilfen überhaupt in Anspruch nehmen können, bietet die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. ihre Hilfsangebote dezentral an. Derzeit ist die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. in neun Berliner Stadtbezirken Berlins aktiv. Langfristiges Ziel ist die flächendeckende Versorgung Berlins.

2. Stellenwert der Hausbesuche

Anfänglich konnte nach der Kontaktaufnahme nur bei einigen Angehörigen ein einmaliger Hausbesuch stattfinden. Er diente dazu, das häusliche Umfeld kennen zu lernen. So können am wirkungsvollsten praxisgerechte Hinweise zur Erleichterung der Pflegesituation gegeben werden.

Bei Pflegenden, die keine familiäre Unterstützung erhalten, waren jedoch Hausbesuche in kürzeren Abständen erforderlich. Die Angehörigen, die aufgrund ihrer Pflegesituation immobil geworden sind, leiden am meisten unter der von sozialer Isolation gekennzeichneten Lebenslage. Für diesen Personenkreis waren regelmäßige Hausbesuche erforderlich, die die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. wegen fehlender Kapazität jedoch zunächst nicht leisten konnte.

In dieser Situation gewährte das Bezirksamt Marzahn Mittel zur Finanzierung einer Gerontosozialtherapeutin, die mit 10 Std. wöchentlich beschäftigt wurde, um zusätzliche Hausbesuche durchzuführen. Es fanden pro Woche drei Einsätze in Marzahn zu je drei Stunden statt. Die verbleibende Stunde wurde zum regelmäßigen Informationsaustausch mit der Leiterin der Beratungssprechstunden und Angehörigengruppen in Marzahn genutzt. Durch diesen Informationsaustausch konnten Erkenntnisse über das häusliche Umfeld bei den Einzel- und Gruppenberatungen mit berücksichtigt werden. So konnte die Gerontosozialtherapeutin z.B. mitteilen, welche Anpassungen des häuslichen Umfeldes an den fortschreitenden Krankheitsverlauf ihr sinnvoll erscheinen.

Mit dem zusätzlichen Leistungsangebot wurden folgende Versorgungslücken geschlossen:

2.1 Pflegende Angehörige, die aufgrund ihrer Pflegesituation immobil geworden waren, wurde die Teilnahme an der fachlich geleiteten Angehörigengruppe ermöglicht.

Die Isolation, in der sich Demenzkranke zusammen mit ihren pflegenden Angehörigen befinden, kann oftmals deshalb nicht durchbrochen werden, weil die Mobilität der Betroffenen erheblich einschränkt ist. Ein Grund hierfür ist z.B. die häufige Weglauftendenz und Desorientierung des Kranken. Der Großstadtverkehr stellt eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Kranken dar. Der pflegende Angehörige kann die Wohnung ebenfalls nur für kurze Zeit verlassen, da der Kranke der Beaufsichtigung bedarf, ohne die er sich selbst sowie Hab und Gut erheblich schädigen würde.

Der Hausbesuch der Gerontosozialtherapeutin ermöglichte es zwei auf diese Weise immobil gewordenen Angehörigen, weiterhin an der Gesprächsgruppe teilzunehmen. Dadurch konnten diese Angehörigen auch weiterhin wichtige Informationen über die Krankheit und den angemessenen Umgang erhalten. Durch Thematisierung ihrer bedrückenden Gefühle wurden sie psychisch entlastet und ihre soziale Isolation durch die Gemeinschaft mit Gleichbetroffenen reduziert.

Der Demenzkranke wurde währenddessen in seinem häuslichen Umfeld unter Berücksichtigung seiner Restfähigkeiten therapeutisch aktiviert. Dies half ebenfalls, die soziale Isolation des Kranken zu reduzieren.

2.2 alleinpflegende Angehörige, wurden durch die Gerontosozialtherapeutin zuhause entlastet und erhielten praxisnahe Anleitungshilfen.

In der Gesprächsgruppe erworbenes Wissen ist nicht immer ohne weiteres in die Tat umzusetzen. Außerdem gibt es nicht für jedes Problem eine eindeutige Lösung. Demenzerkrankungen erfordern daher vom Pflegenden viel Phantasie und Einfühlungsvermögen. Sämtliche Faktoren wie die konkrete Gestaltung des häuslichen Bereichs und des Umgangs der Betroffenen miteinander müssen berücksichtigt werden.

In Kenntnis des häuslichen Umfeldes zeigte die Gerontosozialtherapeutin unmittelbar am aktuellen Problem alternative Herangehensweisen auf. Solche praxisbezogenen Hinweise und Ratschläge vor Ort wirkten sich erheblich erleichternd auf den Pflegealltag aus.

Auch dabei verminderte die Gerontosozialtherapeutin die soziale Isolation der Betroffenen. Vor allem für einen pflegenden Angehörigen, der die Hilfsangebote Beratungssprechstunde und Gruppenaktivitäten aufgrund der schwierigen Pflegesituation nicht nutzen konnte, war die Gerontosozialtherapeutin der einzige nennenswerte soziale Kontakt auf gleicher Ebene.

2.3 Bei Demenzkranken, die sich in der Krankengruppe unproblematischer verhalten als zuhause, suchte die Gerontosozialtherapeutin nach Ansatzpunkten, wie im häuslichen Umfeld das Verhalten positiv beeinflußt werden kann.

Hin und wieder zeigen Demenzkranke in der Gruppe ein anderes Verhalten als zuhause. So kommt es z.B. vor, daß sich ein Kranker daheim nur stumm passiv verhält, wogegen er sich in der Krankengruppe aktiv am Gruppengeschehen beteiligt und sich sogar verbal äußert.

In diesem und ähnlich gelagerten Fällen half die Gerontosozialtherapeutin herauszufinden, wie der Kranke zuhause so aktiviert werden konnte, daß der fortschreitende Krankheitsverlauf durch körperliche und geistige Stimulation günstig beeinflußt wurde.

Hierzu analysierte sie die Beziehung zwischen dem Demenzkranken und seinem pflegenden Angehörigen sowie die häusliche Situation und besprach diese mit dem Pflegenden und zeigte Alternativen auf.

2.4 Ausblick

Zusammen mit den bestehenden Leistungsangeboten der Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. führte das Projekt zu einer für ganz Berlin und Umgebung einmaligen Versorgungsqualität für Demenzkranke und ihre Angehörigen. Um die mit diesem Projekt aufgezeigte Lücke in der Versorgungsstruktur Demenzkranker zu schließen, wird sich die Alzheimer Angehörigen-Initiative e.V. 1998 um Fördermittel bemühen, damit dieses Hilfsangebot erhalten und noch weiter ausgebaut werden kann.

Wie das folgende - aus Sicht der Gerontosozialtherapeutin dargestellte - Fallbeispiel zeigt, wurde durch die regelmäßigen Hausbesuche ein wichtiger Beitrag geleistet, um eine drohende Heimeinweisung zu verzögern oder sogar zu verhindern.

3. Fallbeispiel: Hausbesuche als wertvolle Ergänzung der Gruppenaktivitäten

Heute mache ich wieder einen Hausbesuch bei seit dem seit 35 Jahren verheirateten Artistenehepaar Sch. Der alzheimerkranke Mann öffnet mir die Tür. "Oh, welche Überraschung!" freut er sich, "Da kommt ja wieder meine alte Abeitskollegin Helga. Komm rein." "Ja, Herr Sch.," antworte ich "wir haben schon so manches nette Stündchen miteinander verbracht." Das war nicht gelogen, denn Herrn Sch. betreue ich auch in der Krankengruppe, die immer dann stattfindet, wenn Frau Sch. die Geprächsgruppe für pflegende Angehörige Demenzkranker besucht.

Frau Sch. begrüßt mich mit leiser Stimme. sie sieht erschöpft aus und klagt über schwerzen am ganzen Körper. Sie lädt mich erst einmal zu einem Glas Tee ein. Ich setze mich neben Herrn Sch. und beobachte, daß Herr Sch. greift zwar zum Glas, führt es aber nicht zum Mund. Frau Sch. wird bereits ungeduldig uns sagt: "So geht das immer, für die einfachsten Dinge braucht er eine Ewigkeit." Ich hebe mit dem Zeigefinger leicht seinen rechten Unterarm an. Herr Sch. greift das Glas fester und führt es - gelenkt durch meinen leichten Druck - weiter zum Mund. Kurz bevor das Glas dem Mund berührt, beginnt er den Handlungsablauf selbständig zu Ende zu führen. Ich erkläre Frau Sch. daß ihr Mann jetzt immer öfter eine kleine Starthilfe benötigt, damit er so lang wie möglich seine Selbständigkeit bewahrt. Sie solle ihren Mann ruhig auch für ganz kleine erfolge loben, rate ich, denn das hebt sein Selbstwertgefühl und macht ihn zufriedener.

Herr Sch. beginnt davon zu erzählen, daß er kürzlich wieder einen großen Auftritt als Jongleur hatte und wie gut ihm seine Assistentin dabei geholfen habe. "Aber Richard, deine Assistentin, das war doch ich! Und unseren Letzen Auftritt hatten wir vor über 20 Jahren," fährt Frau Sch. dazwischen. "Was Du immer redest! Meine Assistentin hat rote Haare und sieht ganz anders aus," entgegnet Herr Sch. sichtlich erregt. Ich lasse mir das Photoalbum von ihren Zirkusauftritten geben und eige Herrn Sch. ein großes Foto von ihm und seiner Frau. "Da, das ist sie!," sagt her Sch. triumphierend und auch Frau Sch muß lächeln: "Ja, das war ich. Ach war das eine schöner Zeit!"

Wir plaudern ein wenig über ihre früheren Erfolge und Herr Sch. wird ruhiger und beschreibt mir verblüffend genau einen komplizierten Jongliervorgang. Da bekommt auch Frau Sch. leuchtende Augen und nun schwelgen beide in der Erinnerung. Sie lachen zusammen und Herr Sch. sagt: "Du bist meine Beste." Später erkläre ich Frau Sch., die häufig ihren Mann korrigiert, daß es günstiger ist, auf die Dinge einzugehen, die für Ihren Mann aus der Vergangenheit auftauchen. Das seien die letzten Erinnerungsinseln, auf denen er seine Identität findet. Ich rate Frau Sch. mit ihrem Mann - so gut es noch eben geht - weiter zu jonglieren oder chinesische Kugeln in der Hand zu rollen.

Ich frage Frau Sch. ob sie weiter abgenommen hätte. Sie antwortet, daß ihr Abnehmen seelische Ursachen habe, sie fühle sich überfordert durch die ständige Verantwortung für ihren Mann. Alle Freunde hätten sich zurückgezogen und Ihre Tochter lebe ich Bayern. So komme es vor, daß sie tagelang kein normales Gespräch führen könne. Darum täte es ihr so gut mit mir zu reden und so aus ihrer Isolation herauszukommen. Die Gesprächsgruppe und meine Hausbesuche seien ihr eine große Hilfe. Ohne diese Unterstützung könne sie die Pflege ihres Mannes nicht bewältigen. Ich biete ihr an, mich jederzeit anzurufen, wenn es ihr nicht gut geht. Dies Angebot nimmt sie dankend an, das sei ihr eine große Hilfe. Bei einem solchen Telefongespräch erörterten wir beide einmal die Möglichkeiten für einen Urlaub von der Pflege.

In der Krankengruppe fühlt sich Herr Sch. sehr wohl und akzeptiert. Er erzählt viel, was wir alles noch lernen müßten. Sein Selbstwertgefühl steigt, er fühlt sich als unser Lehrer. Wir singen Lieder zusammen. Herr Sch. singt gerne mit und kennt alle Texte. Durch die Musik bleiben noch viele Erinnerungen erhalten. Beim Ballspielen ist er noch immer sehr geschickt und auch stolz darauf. Am Ende der Gruppe sieht er glücklich aus. In der Gruppe ist er abgelenkt und hyperaktiv. Er spricht auch danach mit seiner Frau noch viel von der Gruppe. Ich knüpfe an diese Erfahrungen an, wenn ich Herrn Sch. zuhause in depressiver Stimmung vorfinde.

Zuhause erlebe ich nämlich Herrn Sch. oft traurig. Er spürt seine Krankheit. Ich spreche mit ihm darüber und bin ihm dadurch gefühlsmäßig sehr nahe. Beide formen der Betreuung - Gruppe und Hausbesuche - sind für Herrn Sch. wichtig, damit noch vorhandenen Fähigkeiten möglichst lange erhalten bleiben. Hr. Sch. sagt mir ganz kalr, wie schön es sei, daß ich ihn besuche.

Während der sechs Monate, in denen ich die Hausbesuche durchführte, konnte ich Herrn Sch. so unterstützen, daß sich sein Krankheitszustand nicht weiter verschlechtert hat. Frau Sch. habe ich emotional und mit Ratschlägen unterstützen können. Das half ihr, die Pflege weiterhin zu bewältigen. Ihr Gesundheitszustand stabilisiert sich allmählich.

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